Eine Klosteranlage inmitten des bayrischen Oberlandes. Traditioneller kann es wohl nicht werden. Und plötzlich inmitten der barocken Anlage findet sich ein Ort, an dem die Zukunft entsteht. Der Servus Zukunft Hackathon Handwerk. Einfach nur himmlisch!
Am Ende der Klosteranlage befindet sich das Fraunhofer-Zentrum für Bauphysik. Ein kreativer Ort, voller Teststationen, Sensoren und Aktoren. Ein Ort der lebendigen und praxisnahen Forschung. Nah dran am Handwerk und der Restaurierung. Also genau der richtige Rahmen für einen Hackathon Handwerk. Das Wort Hackathon setzt sich zusammen aus „Hacken“ und „Marathon“. In 28 Stunden bauen Handwerkerinnen und Handwerker, Programmiererinnen und Programmierer, sowie jeder, der Interesse hatte, Neues zu entwickeln, neue Produkte, Prozesse und Anwendungen für die Welt von morgen. 28 Stunden? Ja genau! Idee vorschlagen, ausarbeiten, Material besorgen und losgeht es. Es gibt wenige Formate, wo Macherinnen und Macher so schnell ins konkrete Entwickeln und Arbeiten kommen wie auf einem Hackathon. Ingrid, Patricia, Georg & Max haben den Hackathon an diesem inspirierenden Ort angerichtet – mit ganz viel Liebe. Aber seht selbst. Auf gehts.
Der spannendste Moment auf einem Hackathon? Wie gut sind die Ideen der Teilnehmer und wie schafft man es gute Teams zu bauen? Da geht der Herzschlag schon mal Richtung 160. Nach den ersten 30 Minuten ist meist schnell klar. Die Mischung aus Handwerk und Digitalen stimmt. Die Ideen sind am Entstehen und erste leichte Annäherungsversuche der Teilnehmer sind zu beobachten. Und zack springt der Funkte über und wie durch ein Wunder haben sich sechs Teams zusammengefunden. Nun heißt es, die erste Idee in ein tragfähiges Konzept zu gießen.
Steht das Konzept heißt es Material sammeln, Zeitplan aufstellen, Aufgaben im Team verteilen und dann bauen, bauen, bauen. Da ist es fantastisch, wenn kreative Partner aus Umgebung einen umfänglichen Maschinenpark mitgebracht haben. Ob 3D-Drucker, Laserschneidanlage, digitale Oberfräse oder klassischer Lötkolben. Was das Herz auch begehrt, ist vor Ort. Hier gilt der Dank vor allem an das Team vom FabLab Oberland.
Die ersten Stunden gehen rasant vorbei. Es wird programmiert, getestet, gebaut, verworfen, neu justiert, angepasst und immer weiter wächst aus einer Idee ein erster Prototyp. Da alle Team in einem großen Raum direkt nebeneinander arbeiten, herrscht eine unglaubliche Stimmung. Man spürt die Kreativität und den Machergeist in der Luft. Und dann heißt es Pause! Pizza und Bier warten, um sich auf die bevorstehende Nacht vorzubereiten.
Und die Nacht wird lang. Sehr lang. Ein Team schafft es sogar, die Nacht durchzuarbeiten. Die Werkzeuge glühen, die 3D-Drucker rattern, die Laserschneidanlage arbeitet Schritt für Schritt die digitalen Fertigungspläne ab. Doch was passiert dazwischen? Hier schläft das Herz eines jeden Hackathons. Man lernt sich kennen, tauscht sich aus und plant schon die nächsten gemeinsamen Schritte.
Der nächste Tag erwacht und alle sind wieder am Start. Nach dem ersten Kaffee geht es schnell voran. Ein Workshop bereitet die Teilnehmer auf die anstehenden Pitches vor. Wie gehe vor? Warum hat die Designpolizei immer recht? Und vor allem, wie verzaubere ich meine Zuhörer? Nun aber auf zum Endspurt.
Der Countdown läuft, die Teams sind in den letzten Zügen. Und dann. Stopp. 14 Uhr fallen alle Werkzeuge und die Aufregung macht sich breit. Es geht los mit den Pitches. Und die lassen sich wie so oft bei Hackathons echt sehen. Das Team des Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk hat die entstandenen Konzepte und Prototypen gut zusammengefasst.
Team 1 „Digitale Manufaktur“ beschäftigte sich mit der Verfolgung eines Werkstückes in der Werkstatt. Zielsetzung: Es soll jederzeit bekannt sein, zu welchem Auftrag ein bestimmtes Holzteil gehört. Die Lösung waren NFC-Tags, mit deren Hilfe die einzelnen Prozessschritte und -informationen exakt dokumentiert und per Smartphone ausgelesen werden können. Vor und nach jedem Schritt, z. B. dem Zuschneiden an der Kreissäge, wird das Smartphone einfach an den Chip gehalten. So können Probleme in der Fertigung erkannt, optimiert und die Kundenzufriedenheit gesteigert werden. Weiterhin ist es möglich, (Prozess-)Wissen leichter an neue KollegInnen zu vermitteln.
Team 2 „Workguard“ wollte die Sicherheit im Handwerk verbessern. Hierzu vereinten sie verschiedene Sensoren zu Feinstaub, Luftqualität, Lautstärke, Temperatur und Gas in einem kleinen 3D-gedruckten Gehäuse, das HandwerkerInnen einfach in der Brusttasche verstauen können – ohne Behinderung der Bewegungsfreiheit. Die Messwerte werden per Smartphone ausgelesen. In einem nächsten Schritt soll zukünftig die Software der App erweitert werden, damit die vollständige Arbeitssicherheitsdokumentation über „Workguard“ erfolgen kann.
Team 3 „Holzwurm“ nutzt die natürliche Maserung des Holzes als „unsichtbaren QR-Code“, um Informationen über Eigentümer, Besitzer, Verarbeitung und Herkunft des Holzes bzw. Möbelstücks zu hinterlegen. Der unsichtbare Code kann auch als Diebstahlschutz dienen – beispielsweise wenn die gestiegenen Holzpreise dazu verleiten, frisch geschlagene Stämme aus privaten Wäldern zu entwenden. Ebenfalls nützlich ist der QR-Code, um eine digitale Bedienungsanleitung zum Zusammenbau von Möbeln zu integrieren.
Team 4 beschäftigte sich im Laufe des Hackathons mit dem Einsatz von Chatbots in Gastronomie und Handwerk. Die lästige Warterei auf ein kühles Bier im Hochsommer im vollen Biergarten soll ein Ende finden. Die Lösung: Der sogenannte „Biertrohn“. Dieser kombiniert Sensorik mit einem Chatbot. Man bestellt bequem vom Sitzplatz aus sein Getränk per Chatbot. Die Servicekräfte erkennen später sofort, wenn Bier nachgezapft werden muss, da der Gewichts- und Temperatursensor im Glas anschlägt, wenn dieses leerer oder das Bier wärmer geworden ist.
Team 5: In öffentlichen Ausschreibungen darf nicht explizit beschrieben werden, welche Leuchte welches Herstellers verbaut werden soll. Stattdessen werden allgemeine, standardisierte Beschreibungen des Lampentyps verwendet. Für HandwerkerInnen ist es aufwändig zu recherchieren, welche konkreten Leuchten welches Herstellers auf Basis der standardisierten Beschreibung verwendet werden dürfen. Team 5 entwickelte hierfür eine App mit der Künstlichen Intelligenz (KI) „Findus“, in die HandwerkerInnen Ausschreibungstexte hineinkopieren können. Die KI listet anschließend alle passenden Leuchten auf, die infrage kommen.
Da ließ der tosende Beifall nicht lange auf sich warten. Wiedereinmal zeigt sich, dass in weniger als 30 Stunden aus ersten kleinen Ideen echte Konzepte und Anwendungen werden können. Und diese tragen sich nun in die Welt. Nun konnte die einberufene Jury ihre Bewertungen abgeben. Hierbei wurden die Kriterien: Innovationshöhe, Qualität und Tiefe der Umsetzung, Chancen für das Handwerk und Mittelstand und Qualität der Präsentationen bewertet.
Leicht war es nicht, die drei besten Teams auszuwählen. Aber was sein muss, muss sein. Und so standen sie fest. Die Gewinner vom Servus Zukunft Hackathon Handwerk 2022. Am Ende des Hackathons wurden die drei Teams von „Findus“, „Biertrohn2 und „Workguard“ mit Preisen ausgezeichnet. Ein Sonderpreis für das „Team Durchhalten“ ging an all diejenigen TeilnehmerInnen, die die ganze Nacht hindurch an ihren Ideen gearbeitet hatten.
Mein Fazit: Der Servus Zukunft Hackathon hat seinen ganz einmaligen Charme. Die Macherinnen & Macher, die Location, der Spirit. Das schreit nach mehr. Das Ganze geht natürlich nur mit einem Team von Veranstaltern, die immer eins mehr geben als nötig. Ob gestaltete T-Shirts für alle Teilnehmer, liebevoll designte Kartenspiele, das durchdachte Branding, die vielen Materialien auf den Tischen, Werkzeuge und Maschinen, das üppige Essen und nicht zuletzt die vielen unterschiedlichen Bierspezialitäten machen ein solches Event einfach nur unvergesslich. Danke an euch alle!
Ein Hackathon ohne Unterstützer und Sponsoren wäre nicht denkbar. Also auf! Einen großen Beifall für alle, die hier so fantastisch mitgewirkt haben.
Für alle Freunde von Bilder gibt es hier noch eine Auswahl an wundervollen Momenten beim Servus Zukunft Hackathon Handwerk: